Fortsetzung:

Es sind die Schuhe, die Männer und Frauen unterscheiden. Männer tragen schwarze
Lederschuhe. Frauen stöckeln in roten High Heels. Nur ein Klischee? Nun, K.T.
Blumberg hat beides im Foto festgehalten. „Die Kunst beginnt mit dem Schauen“,
sagt die Künstlerin. Oft sei es der genaue Blick und die Bereitschaft lange auf den
richtigen Moment zu warten, die dann zu dem entscheidenden Moment führen
würden, an dem das Foto gelingt.
Das neue Kunst- und Kulturhaus Rechenzentrum zeigt eine Einzelausstellung der
Fotografin. Die Aufnahmen erscheinen zunächst unspektakulär. Dann aber wird die
genaue Komposition und der scharfe Blick der Künstlerin fürs Detail sichtbar. „Adam
und Eve“, so der Titel der Ausstellung, tauchen in verschiedenen Konstellationen auf
den Bildern auf. „Die Geschlechterrollen- und Identitäten wandeln sich, auch das
wollte ich mit meinen Fotos aufzeigen“, so Blumberg. Was Männer und Frauen sind,
das scheint nicht mehr in Stein gemeißelt – wie etwa noch in den 50er Jahren.
Die Fotografin greift die Debatte um Geschlechterrollen auf
Institutionen schaffen Stellen für Genderbeauftragte, die sich um die Lohngleichheit
und diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen auch in Betrieben kümmern.
Genderforscher fragen sich, wie weit die biologische Determinante des Geschlechts
für die soziale Rolle überhaupt von Belang ist. Pionierin auf diesem Gebiet war etwa
die amerikanische Soziologin Judith Butler, die der Ansicht ist, dass es speziell
weibliche oder männliche Prägung aufgrund der Biologie ohnehin nicht gibt. Alles ist
gesellschaftlich konstruiert, so ihre These. Das hält der Potsdamer Biologe Michael
Hofreiter allerdings für ausgesprochen abwegig. Und andere geraten angesichts der
wachsenden Offenheit in Geschlechterfragen regelrecht in Panik: Die
rechtspopulistische AfD wünscht sich die heterosexuelle Kernfamilie als einzig gültige
Norm zurück.
Diese gesellschaftlichen Diskurse spiegeln sich in der Ausstellung von K.T. Blumberg
wieder, deren Fokus gerade auf den sich wandelnden Traditionen und Mustern liegt.
Es sind die Details, an denen die Scharfsichtigkeit der Fotografin sichtbar wird.
Beispiel Bademoden: Frauen in Bikinis aus den fünfziger Jahren lächeln dem
Betrachter entgegen, auf einem Plakatfoto, das auf einem Lastwagen angebracht ist.
Den Wagen allerdings fährt ein Mann. Der Betrachter sieht ihn nicht, nur seine Hand,
mit der er eine Zigarette aus dem Fenster der Fahrerkabine des LKW hält. Die
Plakatreklame liegt im Schatten, nur die Hand ist von der Sonne beschienen und
zieht so den Blick auf sich. Alle Fluchtlinien des Bildes laufen genau auf die Hand zu.
Keine gestellten Bilder, sondern Warten auf den Moment
K.T. Blumberg Bilder sind nie gestellt, eine derart genaue Konstruktion lasse sich
allerdings nur erreichen durch eine gründliche Recherche und die Geduld, sehr lange
auf den Moment und die Situation zu warten. Das zufällig entstandene Bild kann
auch symbolhaft gedeutet werden, was die Künstlerin aber nie machen würde, denn
sie interpretiert nicht. Häufig wirken die Fotos wie angeschnitten, wie
Schnappschüsse aus einer längeren Reportage, die ein Bild einer Kultur, einer Stadt
eines Landes vermittelt.
Blumberg reist für ihre Bilder durch Europa, durch die westlichen Länder und
versucht dabei jeweils mit punktgenauen Shots von Momenten, die häufig nur Splitter
von Situationen sind, das Land und die Menschen zu beschreiben
Blumberg ist in ganz Europa unterwegs
Spanische Fußgängerinnen gehen an einem Plakat vorbei, auf dem Dreamboys mit
muskelbepacktem Oberkörper posieren. Bei einem Treffen von Oldtimer Liebhabern
in Polen reckt sich die chromglänzende Kühlerfigur eines Triumph vor unscharf
gezeichneten alten Herren ins Bild.
Sie arbeite meist an verschiedenen Themen, die dann häufig eine Weile brauchen,
bis ein Portfolio entstanden sei, sagt Blumberg. Das Zusammenprallen von Tradition
und Moderne, Ländergrenzen – Griechenland als Wiege europäischer Kultur und
heute geprägt von der Schuldenkrise – sind einige ihrer Themen.
In Miami ging es ihr nicht um die Genderfrage, sondern um Rassismus
Vier Wochen hat sie in Miami recherchiert, während der Art Week, um auch hier die
Stimmung in der sich wandelnden Stadt einzufangen. Statt Gender geht es hier um
Rassismus: Ein Foto mit einem Graffiti, das eine Wandfläche bedeckt, das Bild eines
schwarzen Wachmannes, der den Kopf neigt, während eine weiße Gruppe von
offensichtlich Bessergestellten an ihm vorbei eilt, sind davon in der Ausstellung zu
sehen. Miami wandele sich, Künstler seien in viele leere Lagerhallen eingezogen, die
Kunst sei Vorreiter gewesen, nun stiegen die Mieten, so Blumberg. Gentrifizierung,
eine Entwicklung, die nicht nur Miami sondern die Metropolen weltsich verändert, gut
zu beobachten auch vielerorts in Berlin.
„Walking, watching, waiting“, beschreibt Blumberg ihre Arbeitsweise. Ihren Stil
entwickelte sie nach einer Fortbildung an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin.
Zuvor hatte die in Essen geborene Künstlerin in Berlin – ja, tatsächlich – als
Soziologin promoviert. Das Interesse am Menschen, dessen Leben sich in
unspektakulären Handlungen und Gesten konzentriert und manifestiert, bestimmt
ihre fotografische Sicht. So entstehen Bilder, für die sich Aufragsfotografie kaum
einmal Zeit nehmen könnte und die die Ruhe und Konzentration der freien Kunst
benötigen.
Die Ausstellung „Adam und Eve“  29. Mai im Rechenzentrum, Dortustraße 46, zu sehen